Zukunft der EU-Förderpolitik: Kommissionsvorschläge zur GAP und zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2028–2034
Mit dem am 16. Juli 2025 vorgelegten Vorschlag zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028–2034 hat die Europäische Kommission nicht nur eine neue Finanzarchitektur für die Europäische Union, sondern auch eine tiefgreifende strategische Neuausrichtung der Förderpolitik präsentiert. Der Entwurf umfasst ein Gesamtvolumen von rund 2 Billionen Euro, also ca. 1,26 % des EU-Bruttonationaleinkommens (BNE). Damit sieht er eine grundlegende Umstrukturierung des EU-Haushalts vor. Künftig sollen nur noch wenige, thematisch gebündelte Programmlinien bestehen.
Neben einem Fonds für Wettbewerbsfähigkeit, etwa in den Bereichen Forschung, Technologie, Biotechnologie und Bioökonomie, sollen sogenannte nationale und regionale Partnerschaftspläne (NRP-Pläne) zum zentralen Steuerungsinstrument für EU-Mittel werden. Diese würden kohäsions- und agrarbezogene Ausgaben zusammenführen und auf nationaler Ebene geplant und verhandelt.
Ein zentrales Ziel der Kommission ist es, mehr Flexibilität bei der Mittelverwendung zu schaffen, nationale Reformen gezielter zu fördern und durch neue EU-Eigenmittel (wie eine Abgabe auf Großunternehmen oder Einnahmen aus dem Emissionshandel) die Haushaltsgrundlage der Union dauerhaft zu stabilisieren.
Konkreter GAP-Vorschlag ab 2028 – weitreichende Folgen für Familienbetriebe
Ebenfalls am 16. Juli 2025 legte die Kommission ihren konkreten Vorschlag zur zukünftigen Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2028 vor. Dieser enthält tiefgreifende strukturelle und finanzielle Änderungen, die für Familienbetriebe in der Land- und Forstwirtschaft erhebliche Konsequenzen haben könnten.
Die wichtigsten Inhalte im Überblick
1. Deutliche Kürzungen des Agrarbudgets
Trotz der Ausweitung des EU-Haushalts auf 1,26 % des BNE wären für die GAP künftig nur noch rund 300 Milliarden Euro vorgesehen (statt aktuell 387 Milliarden Euro). Da diese Summe künftig sämtliche einkommensbezogenen Maßnahmen umfasst, bedeutet dies eine massive Kürzung.
2. Aufgabe der bisherigen Zwei-Säulen-Struktur
Die bisherige Struktur aus Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL – 1. Säule) und Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER – 2. Säule) soll durch nationale und regionale Partnerschaftspläne ersetzt werden. Diese würden Direktzahlungen, Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung sowie neue Förderinstrumente z.B. Risikomanagement bündeln.
3. Verlagerung der Verantwortung auf nationale Ebene
EU-Mittel sollen künftig über nationale Partnerschaftsabkommen verteilt werden, die zwischen den Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission ausgehandelt werden. Der bisher eigenständige GAP-Strategieplan entfiele. Damit wächst das Risiko politischer Einflussnahme und ungleicher regionaler Mittelverteilung innerhalb der Mitgliedsstaaten. Wir sehen darin eine massive Gefährdung des Binnenmarktes.
4. Geplante Fördermaßnahmen und Konditionen
Die einkommensstützenden Direktzahlungen der 1. Säule blieben zu 100 % EU-finanziert; andere Maßnahmen (bisher aus Säule 2) würden nur noch zu max. 70 % kofinanziert (aktuell bis 80 %).
Darüber hinaus wären diese Direktzahlungen ab 20.000 Euro je Betrieb degressiv und ab 100.000 Euro gedeckelt. Kleinere Betriebe erhielten bis zu 3.000 Euro Betriebspauschale:
Über 20.000 € bis 50.000 €: Kürzung um 25 %
Über 50.000 € bis 75.000 €: Kürzung um 50 %
Über 75.000 €: Kürzung um 75 %
Der neue Ansatz „Farm Stewardship“ ersetzt die bisherige „grüne Architektur“. Er umfasst verpflichtende Umwelt-, Klima- und Sozialstandards sowie flexiblere „protective practices“ auf nationaler Ebene.
Die Förderung des ökologischen Landbaus und der Extensivierung erhält einen besonderen Status und gilt als „green by definition“.
Ausgleichszahlungen für gesetzliche Auflagen – etwa im Rahmen von Natura 2000 oder der Wasserrahmenrichtlinie – bleiben bestehen und werden über die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) finanziert.
Risikomanagement-Instrumente wie Versicherungen und Fonds sind weiterhin vorgesehen, kommen jedoch erst bei Verlusten ab einer Schwelle von 20 % zum Einsatz.
Junglandwirte erhalten eine besondere Förderung, wobei der EU-Anteil bis zu 85 % betragen kann.
5. Veränderungen im Bereich ländliche Entwicklung
Nur noch ausgewählte Maßnahmen (LEADER, Beratung, Innovation, Wissensaustausch) wären verpflichtend im GAP-Budget enthalten. Andere wie Infrastruktur- oder Hochwasserschutzmaßnahmen würden in die allgemeine Kohäsionspolitik („Wirtschaftlicher, territorialer und sozialer Zusammenhalt“) überführt – mit flexibler nationaler Mittelverteilung.
6. Kritik und Herausforderungen
Der Vorschlag stößt bereits auf breite Ablehnung – von Verbänden, Parlamentariern und Bundesminister Rainer. Besonders kritisiert werden:
- Verlust der Planungssicherheit und eigenständigen Ausrichtung der GAP,
- mangelnde Transparenz und Kontrolle bei der Mittelvergabe,
- politische Einflussnahme zulasten der Agrarförderung,
- unklare Auswirkungen auf regionale Entwicklungsmaßnahmen,
- drohende Wettbewerbsverzerrungen und Gefährdung des Binnenmarktes.
Die Bundesregierung, das Europäische Parlament sowie mehrere Mitgliedstaaten und einige deutsche Bundesländer haben bereits deutliche Kritik geäußert und umfangreiche Anpassungen gefordert.
Wie geht es weiter?
Am 3. September 2025 wird ein weiteres Informationspaket der Kommission erwartet. Danach würden die Verhandlungen zwischen Kommission, Rat (Einstimmigkeit erforderlich) und Parlament beginnen. Diese könnten sich bis Ende 2027 hinziehen.
Wir werden uns auf Bundes- und Europaebene weiterhin mit Nachdruck für eine Gemeinsame Agrarpolitik einsetzen, die landwirtschaftliche Betriebe stärkt, faire Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt gewährleistet und dessen Stabilität langfristig sichert.